Die Hugenotten auf Reisen


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- Ostsee Wieck/Darß 2011

Sommerurlaub 2011: Ostsee, am Bodden, Wieck a. Darß

 

Zum ersten Mal wollen wir unseren Sommerurlaub an der Ostsee verbringen. Zwar sind wir bereits per Kreuzfahrt auf dieser unterwegs gewesen, doch das ist natürlich mit unserem jetzigen Vorhaben nicht vergleichbar.

750 Einwohner hat unser einwöchiges Zuhause und liegt auf der Halbinsel Darß. Es ist der weltbekannte Ort Wieck.

Noch nichts davon gehört? Dann geht es euch genauso wie mir.

Kein Problem. Der Zufall will es, dass der NDR heute einen Bericht über Darß und die Menschen, die dort leben, im Programm hat. Klar dass wir uns das nicht entgehen lassen, ganz in der Hoffnung ein paar interessante Anleitungen zur Freizeitgestaltung in der kommenden Woche darin zu finden.

Doch nach einem Drittel des Films scheint klar, es wird wohl recht ruhig in dem kleinen, ehemaligen Schmugglernest werden. Ziemlich seltsame Typen werden in der Sendung beschrieben.

Ein „Künstler“, der aus alten Ästen oder Wurzeln Boote schnitzt, ganz in der Hoffnung, dass sich weiterhin pro Woche ein oder zwei Käufer in seinen Ausstellungsraum verlaufen und ihm eines seiner „Kunstwerke“ abkaufen.

Oder ein anderer Typ, der alte, kleine Segelboote, genannt Zeesenboote, restauriert und diese an Touristen vermietet. Eigentlich eine gute Idee. Allerdings hat er seine Anlegestelle so schlecht gewählt, dass es sehr schwer ist, diese zu finden.

Etwas cleverer stellt sich da ein Fischer an, der täglich seine 3 Kilometer Netz auswirft um seinen Unterhalt zu bestreiten.

Es fällt auf, dass alle beschriebenen Menschen mit sich und ihrem Leben sehr zufrieden scheinen. Also genau das richtige für mich und meinen gestressten Magen.

Fischland Darß, schön. Haus Kranichblick. Zu fünft, (Heike, ich, Larissa, Christian und Lea) werden wir das Haus beziehen.

Im Internet haben wir die Räumlichkeiten bereits ausgiebig studiert. Sieht soweit alles ganz gut aus. Hoffen wir mal, dass die Bilder keine zehn Jahre alt sind und die Möbel sich noch in dem gezeigten Zustand befinden. Da steckt man nicht immer drin. Wir waren auch schon auf die Schnauze gefallen und das Mobiliar war schon ziemlich abgeranzt.

Heike hat sich schon vor Monaten auf ihren Computer im Büro einen Meerblick mit Steg und einem vorbei fliegenden Kranich als Bildschirmschoner eingerichtet. Wenn wir einen so schönen Blick bekommen könnten, dann würde ich sogar abgeranztes Möbel in Kauf nehmen.

 

Ach Moment, einen Begleiter habe ich ja noch vergessen. Emma, die Labradorhündin von Larissa und Christian fährt auch mit. Die Vermieterin hat Hunde erlaubt.

Samstag, 6.00 Uhr, die Frisur sitzt und es geht los, zu fünft im 9- Personenbus. Das Raumangebot ist höchst angenehm. Besser als im Flieger von Rynair, mit 350 Passagieren, eingeklemmt zwischen 2 Sitzreihen, auf dem Flug in den Süden, denke ich mir.

9.45 Uhr. Der erste Stau bei Bockenem. Eine Stunde und 1000 Flüche später sind wir endlich durch. Ich hasse Staus, wer nicht. Zum Glück habe ich nicht mehr meinen Geländewagen, mit dem bin ich früher bereits mehrmals über die Böschung und die Feldwege abgehauen. Aber es ist schon besser mit mir geworden. Ich arbeite an mir, nach dem Motto: Problem erkannt, Gefahr gebannt.

Ich bekomme meine ersten Zweifel ob es nicht doch besser gewesen wäre im engen Flieger zu sitzen. Hoffentlich bleibt es der einzige Stau.

Okay, soweit ist schließlich die restliche Fahrt ganz gut verlaufen. Bis auf einen typischen Fahrer mit Hut, der völlig unorthodox vor Christian hergefahren ist, sind keine besonderen Vorkommnisse mehr zu vermerken.

Wieck ist, wie der erste Eindruck zeigt, ein kleines Örtchen, aber bei weitem nicht so schrullig, wie in dem NDR – Bericht gezeigt. Ich frage mich, ob wohl der Regisseur ein Bayer war und das Ziel verfolgte, den Urlaubern die Ostsee zu vergraulen, damit diese in den Bergen urlauben.

Wir erkennen sofort, dass die motorisierte Fortbewegung hier keinen Spaß macht, denn die Straßen sind sehr eng. Doch das finden wir gut, schließlich wollen wir uns ja ebenfalls Fahrräder mieten und uns den Unmengen an Radfahrern anschließen.

Endlich, nach ca. 8 Stunden haben wir unser Ferienhaus erreicht. Eine nette Verwalterin erwartet uns bereits und gibt uns gleich eine kleine Führung durch Haus und Garten.

Alles ist schön geräumig und in bestem Zustand. Emma freut sich über den riesigen Garten und tobt gleich ausgelassen umher.

Ein wenig auspacken, ein wenig frisch machen, dann können wir auch schon bald zum Abendessen gehen.

Die Hausverwalterin hat uns ein Restaurant, nicht weit im Ortskern, empfohlen.

„Restaurant Haferland“, es gehört zu einem Hotel. Sie hat nicht zuviel versprochen.

Alles schmeckt gut und wir sind sehr zufrieden.

Am nächsten Morgen, es ist Sonntag, gehen wir zum Fahrradverleih. Christian hatte bereits mit den Leuten telefoniert und eine Art Vorbestellung durchgegeben. Alle von uns gewünschten Räder, inklusive Hundeanhänger für Emma sind vorhanden.

Heike will natürlich ein Elektrobike.

Zunächst machen wir aber noch einen Ausflug mit dem Auto. Auf der ruhigen Seite von Rügen haben sich Christians Eltern ein Haus mit riesigem Grundstück gekauft. Dort wollen wir sie heute besuchen.

Ca. 90 Minuten Autofahrt führen uns nach Niederholstein, einem kleinen Ort auf Rügen. Ein knapper Kilometer vom Meer entfernt steht das Haus, das von Grund auf renoviert wird. Einige Arbeiten sind schon erledigt, manches gibt es noch zu tun, aber man sieht schon, dass es einmal sehr schön wird.

Nach einem guten Mittagessen, einem Spaziergang am Meer und einem leckeren Stückchen Kuchen verabschieden wir uns wieder.

Lea konnte heute leider nicht dabei sein. Sie hat sich erkältet und der Schnupfen ließ ständig ihre Nase jucken und die Augen tränen. Also verbringt sie den ganzen Tag im Bett und beschäftigt sich mit ihrem Buch. Zum Trost bringen wir ihr ein Stückchen Erdbeertorte von Christians Eltern mit, die natürlich sofort vertilgt wird.

Am Abend machen wir noch einen kleinen Ausflug nach Prerow. Eine kleine Wanderung an dem weißen Sandstrand und hinaus auf den Steg Seebrücke bildet den Tagesabschluss.

Montag, Spitzenwetter. Keine Frage, wir starten heute unsere erste größere Radtour.

Durch die Felder fahren wir bis nach Prerow. Von dort aus geht es weiter bis zum Leuchtturm „Darßer Ort“. Ab Prerow ist der Radweg eine Katastrophe. Er ist noch aus DDR – Zeiten. Schmale, etwa 70 Zentimeter breite Betonplatten sind aneinandergereiht. Es dauert nicht lange und ich spüre die harten Schläge auf meiner Wirbelsäule. Anderen Radfahrern ist es wohl ähnlich ergangen. Sie haben einen neuen Weg ausgefahren, der sich neben der offiziellen Strecke durch den Wald schlängelt.

Kleinere Probleme bereitet mittlerweile auch Emma in ihrem Hundeanhänger. Das ganze Gehoppel geht ihr wohl mächtig auf die Nerven und sie lässt es uns durch ihr Jaulen wissen. Doch da muss sie jetzt durch, was ihr Christian durch eine Tempoverschärfung klar macht.

Angekommen. Der Leuchtturm ist halt ein Leuchtturm und der Strand ist wieder sehr schön und wird auch von zahlreichen Badegästen benutzt.

In Prerow vertilgen wir schließlich noch eine Pizza. Den Namen der Pizzeria habe ich jetzt leider vergessen, aber ich glaube es gibt dort eh nur eine. Sie war ganz in Ordnung und ansonsten auch alles ganz sauber. Heike macht ja immer gleich den Toilettentest und hatte nichts zu beanstanden.

Zuhause angekommen stellen wir fest, dass uns noch Brot fehlt und Christian und ich wollen in den Nachbarort fahren um dort welches zu besorgen. Eine gute Gelegenheit für mich, das Elektrorad von Heike zu testen.

Also ich muss schon sagen, nicht schlecht so ein Gerät. Ohne übermäßige Anstrengung kann ich eine Geschwindigkeit von 25 Kilometern fahren (Christian fährt dies natürlich ohne jegliche Hilfsmittel). Angesichts des Gegenwindes, der einem auf der Halbinsel ins Gesicht wehen kann, ist für Hobbyfahrer so ein Elektrobike eine feine Sache.

Am Abend geht es dann noch über Born nach Ahrenshoop um etwas zu trinken. Wir finden das „Namenlos“, ein Hotel mit Restaurant und einer wunderschön gelegenen Terrasse. Sie liegt erhöht und erlaubt einen tollen Blick über die Dünen hinweg aufs Meer und auf einige Schiffe, die in ein paar Kilometer Entfernung am Ufer vorbeiziehen. Das Restaurant hat, laut Ober, seinen etwas schrägen Namen nach einem Rechtsstreit erhalten. Dieser wurde von dem Besitzer verloren, sodass es schließlich namenlos war und der Besitzer es auch entsprechend benannte.

Obwohl wir nur etwas trinken möchten, es gerade Essenszeit und die Terrasse fast komplett besetzt ist, gibt uns der Oberkellner einen  Tisch. Später stellen wir fest, dass er wirklich sehr nett ist, immer einen Spruch parat hat und die große Terrasse hervorragend managt. Die Karte beinhaltet logischerweise nicht nur Getränke und da die aufgeführten Speisen verlockend aussehen, essen letztlich doch alle noch etwas. Das Preis/Leistungsverhältnis finden wir absolut in Ordnung. Lediglich die angebotenen Drinks sind mir persönlich wieder viel zu voll mit Eiswürfeln. Schmecken tun sie aber ganz gut.

Wir gehen dann noch hinunter zum Strand und erleben einen sehr schönen Sonnenuntergang.

Tags darauf fahren wir nach Zingst, ein Ort mit etwa 3700 Einwohnern. Ein Spaziergang durch die Straßen führt uns schließlich zur Seebrücke Kurhaus. In bester Lage befindet sich oberhalb des Dammes das Restaurant Kurhaus mit Freisitz.

Leider können wir es keinesfalls weiterempfehlen. Die Kosten für das Essen und die Getränke sind in Etwa den Ausgaben des Vortages im Namenlos entsprechend. Doch welch krasser Unterschied. Notfalls lieber an der benachbarten Imbissbude den Hunger stillen. Ich habe zwar dort nichts probiert, aber schlechter kann’s auch nicht schmecken.

Das Wetter ist noch immer herrlich und wir können auch den folgenden Tag mit einer kleinen Radtour eröffnen. Es geht in den Nachbarort Born, zunächst entlang am Bodden. Der etwa 1,50 m breite Weg folgt dem Ufer des Bodden, führt dann ein Stück durch den Wald und schließlich durch die Straßen der kleinen Ortschaft hin zum EDEKA – Markt, in dem wir ein paar kleinere Besorgungen erledigen. Dabei kommen wir auf den letzten Metern an einem, ja was eigentlich, vorbei. Ich würde es mal als ein Cafe bezeichnen. Es ist ein gering umgebautes Wohnhaus in dessen Vorgarten ein paar Tische und Stühle stehen.

Die Sonne und der Wind haben unsere Hälse getrocknet und wir wollen jetzt unbedingt etwas trinken. Die Karte überrascht uns, denn es gibt dort ausgefallene Getränke wie beispielsweise Rhabarberschorle, Sanddornschorle….

Doch auch der hausgemachte Kuchen hat unsere Aufmerksamkeit erregt. Wir haben ihn getestet, logisch und können ihn nur wärmstens weiterempfehlen. Es scheinen ein paar alte Rezepte aus Omas Zeiten verarbeitet worden zu sein. Sehr lecker.

Zuhause wieder angekommen verarbeitet Christian gleich die frisch gekauften Grillsachen. Hinterm Haus steht ein Grillofen und der soll heute seinen Zweck erfüllen. Christian ist zwar nicht der Grill – Lafer von SWR 3, aber schlechter schmeckt es auch nicht. Das Fleisch ist sehr weich und zart wie Butter.

Das Wetter ist so schön, da muss man noch etwas unternehmen. Eine größere Stadtbesichtigung wollen wir sowieso noch machen, also fällt kurzfristig die Entscheidung nach Stralsund zu fahren.

Die Altstadt ist ein Weltkulturerbe und das mit Recht. Sehr schöne, alte Bauten aus der Zeit des Schwedenkönigs Carl Gustav hinterlassen einen bleibenden Eindruck.

Wir schlendern einfach durch die Straßen, bewundern die Marienkirche, das alte Rathaus, die Stadttore und vor allem auch die vielen, alten Stadthäuser. Auch der Hafen ist sehr schön. Es liegen dort zahlreiche, kleinere Segel - und Motorboote, aber auch die eine oder andere Yacht haben wir gesehen.

Wieder in der Altstadt angekommen suchen wir uns ein Cafe. Gegenüber vom alten Rathaus finden wir eines, das als Spezialität Kuchen aus dem Holzofen anpreist.

Der Spaziergang hat mich hungrig gemacht und ich bestelle mir zwei Stückchen davon.

Keine Ahnung, was die Besitzer sich denken, ich bin doch nicht Carl Gustav, der ausgehungert von einer wilden Schlacht zurück kommt. Zwei Stückchen sind bei denen ein halber Kuchen. Alle am Tisch sitzenden Personen haben die Augen weit aufgerissen, als die Kellnerin den Teller bringt. Unsere Reaktion scheint ihr altbekannt. Es scheint sie zu amüsieren.

Der Kuchen selbst ist meinem Empfinden nach eine Mischung aus Linzer - und Streuselkuchen. Es gibt ein paar verbrannte Stellen, ist halt im Holzofen gebacken, aber ansonsten hat er mir sehr gut geschmeckt, zumindest der Teil, den ich in meinem Bauch unterbringen konnte.

 

Wieder zurück in Wieck lassen wir den Abend auf der Terrasse des Eiscafes Lange ausklingen.

Ich selbst habe zwar nichts mehr gegessen, der Holzofenkuchen lässt grüßen, aber das allgemeine Urteil der restlichen Personen die den Tisch mit mir teilen lautete: Da muss man nicht zweimal hin.

So Freunde der Prärie und der Cowboys, jetzt kommt das absolute Urlaubshighlight. Genau solche Minuten wie die am nächsten Tag folgenden sind es wohl, die einen Urlaub wirklich unvergesslich machen, weil so einfach nicht erwartet.

Ich bin schon sehr früh wach und sitze im Wohnzimmer. Um nicht wieder über meine Geschäfte nachzudenken hat mir Heike extra zwei Bücher mitgenommen. Es ist noch ruhig im Haus, logisch, denn es ist ca. 6.00 Uhr in der Frühe. Ich habe die ersten Zeilen gelesen und blicke über den oberen Buchrand hinaus auf die Terrasse genau in die Augen eines, wie ich später vom Bauer erfahre, riesigen Wasserbüffels.

Eine ganze Herde war zwei Orte weiter ausgebrochen und hatte sich in unserem hinteren Grundstücksbereich Zutritt verschafft. Wie sich später herausstellte war der relativ niedere Zaun dort heruntergetrampelt.

Jetzt stand die ganze Herde vor unserer Terrasse, auf der wir Tags zuvor noch die leckeren Grillhäppchen von Christian verspeist hatten.

Nach geraumer Zeit und ein paar Blicken in unser Wohnzimmer, liefen sie am Haus entlang zu Vorderseite, kamen dann wieder zurück und verschwanden wieder in Richtung Wasser, von wo sie auch gekommen waren.

Logo, die kleine Sensation war fotografisch festgehalten und ich griff mir wieder mein Buch.

Nachdem ich einige Seiten gelesen hatte, tauchten die Tiere wieder auf und grasten dieses Mal in einer Grundstücksecke, in der sich auch eine Kinderschaukel befand.

Unglücklicherweise verstrickte sich eines der Tiere in dieser, riss die Schaukel samt Gestell aus dem Boden und hatte jetzt die gesamte Konstruktion auf dem Rücken hängen.

Nichts wie weg, Flucht und Panik, das hatten die Büffel in den nächsten Minuten im Kopf.

Der Schaukelkiller an der Spitze, der Rest der Herde hinterher, so trampelten alle in vollem Tempo zum Wasser, konnten dort keinen Ausweg finden und kamen ebenso wild wieder zum Haus zurück.

Panik kommt jetzt auch bei mir auf. Was, wenn die fünfzehn Muskelpakete zwischen dem engen Korridor und dem Haus und Zaun nicht hindurch kommen. Dann kann es leicht passieren, dass eines der Tiere im Wohnzimmer steht und ich als Sensationsleiche in der Bildzeitung.

Leute, ihr könnt es mir glauben, so ein Wasserbüffelzuchtbulle ist saugroß und die gedrehten Hörner erzeugen einen riesigen Respekt.

So schnell wie die Herde sich dem Haus nähert, verschwinde ich in den ersten Stock. Durch unser Schlafzimmer stürme ich auf die obere Terrasse. „Eine Büffelherde tobt in unserem Garten.“ Ist das ein Traum oder die Wirklichkeit. Heike ist sich noch nicht ganz im Klaren darüber, braucht ein paar Sekunden um alles zu realisieren, schnappt sich dann das Telefon und berichtet den weiteren Fortgang der Geschehnisse unserer Hausverwalterin.

Die Kraft der rund fünfzehn Tiere ist wirklich fühlbar. Durch Hecken, Büsche und Blumen, über Zaun und Gartentor, vorbei an meinem im Vorgarten geparkten Auto, finden sie endlich den Weg nach draußen.

Über die Straße rennen sie auf die gegenüber liegenden Felder und verschwinden auf Nimmerwiedersehen.

Sie lassen mich mit der Aufgabe zurück, einen Schadensbericht für unsere Vermieterin und die Versicherung zu fertigen.

Und jetzt Freunde der echten Prärie und der echten Cowboys, jetzt erzähl ich euch mal die wahre Geschichte mit dem lächerlichen Getier.

Die meisten Typen machen sich ja bei der Begegnung mit dem gemeinen Wasserbüffel in die Hose und bringen sich in Sicherheit so schnell es nur geht. Danach trumpfen sie mit einer sensationellen Geschichte auf, um im persönlichen Umfeld in Münchhausenmanier Respekt und Ehrfurcht zu erzeugen.

Das ist nicht meine Art.

Bescheiden wie ich bin, habe ich euch eine starke Verniedlichung der wahren Geschehnisse präsentiert. Doch für die harten Jungs nun der richtige Ablauf an diesem stillen Morgen.

Die Sonne stand blutrot über dem Bodden, gerade so als hätte sie eine Vorahnung von dem, was sich gleich ereignen würde.

In lässiger Manier lag ich in meinem Wohnzimmersessel, mit einer Vorahnung, dass ein gefährliches Abenteuer in der Luft lag. Doch bis es so weit sein würde, ließ ich noch meine etwas müden Augen über die beruhigenden Zeilen meines Gruselromanes wandern.

Es ist etwas, das ich mir schon im Babyalter angewöhnt hatte. Gruselgeschichten lesen, zur inneren Beruhigung, um in Extremsituationen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Nachdem ich meinen Blick über meinen Buchrand schweifen ließ, sah ich in die blutrünstigen Augen eines angriffslustigen Wasserbüffels.

Ich erkannte sofort, dass er höchst frustriert war, da ihn Bauer Jörn Jörnsen seit Monaten nicht mehr für die Zucht verwendet hatte und sich offensichtlich neben sonstigem auch eine Menge Wut in dem Tier angestaut hatte.

Er war der Leitbulle einer riesigen Herde und stand nun äußerst bedrohlich vor der Terrasse unseres niedlichen Ferienhäuschens. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde und mein fotografisches Auge hatte registriert, dass es sich exakt um 101 Tiere handelte.

Normalerweise beträgt die Länge eines Tieres ca. drei Meter und deren Gewicht rund eine Tonne. Doch die vor mir stehenden Exemplare waren gut und gern doppelt so groß und schwer. Ihre ursprüngliche Herkunft ist Euphrat und Tigris, später auch China bzw. Indien. Durch Umsiedlungen findet man sie aber auch in Brasilien und Australien.

Bauer Jörn Jörnsen hatte es sich in den Kopf gesetzt, den Wasserbüffel auch in Europa zu verbreiten, experimentierte seit Jahren mit seiner relativ jungen Zucht und hatte vor allem in Sachen Muskelmasse unglaubliche Erfolge erzielt.

In Wieck wurde gemunkelt er habe beste Kontakte zum siebenfachen Tour de France Sieger Lance Armstrong. Die Kioskbetreiberin Frauke Fraukensen will den beiden zu später Stunde sogar persönlich einige eiweißhaltige Fischbrötchen serviert haben.

Bürgermeister Hans Hansen bezweifelt zwar die ganze Geschichte, doch weiß jeder im Dorf, dass er persönlich schwer gekränkt ist, da er sich doch eine Fahrt auf seinem Tandem mit Lance ausgerechnet hatte.

Dabei hätte er nur zu gut wissen müssen, dass ihm Jörn Jörnsen diesen Triumph nie und nimmer gegönnt hätte. Zu oft hatte dieser ihm bereits in der Grundschule das Abschreiben versagt und ihn im Pausenhof mit: „Du blöder Kuhmelker“ beschimpft.

Tja, man sieht sich halt immer zweimal im Leben und außerdem schielt Jörn Jörnsen selbst auf das Amt des Bürgermeisters. „Viel Arbeit sei das eh nicht“, hatte er schon öfter im Gasthof „Zur Fischgräte“ verkündet. Die Arbeit erledige er zwischen Frühstück und Zähneputzen.

Ansonsten müsse man im örtlichen Amtsblatt eh nur den Grinsekopp machen und sich bei Eröffnungen und Einweihungen den Bauch vollschlagen.

Die entsprechende Trommel habe er sich ja bereits in der Fischgräte mit dem Wiecker Hefeweizen zugelegt, die denkbar beste Vorbereitung auf das Bürgermeisteramt.

Wie dem auch sei, es kursierten einige Gerüchte über die Büffelherde im Dorf, doch für mich war nur wichtig meine Familie und das Ferienhäuschen vor der Gewalt der Bullen zu bewahren.

Der Anführer hatte bereits seinen ersten Fehler gemacht, als er sich entschloss, mir bedrohlich in die Augen zu sehen. In seinen Augen konnte ich nämlich lesen wie in einem offenen Buch.

Es war offensichtlich, dass er seine Herde über unser Feriendomizil hinweg schicken wollte.

Kurz entschlossen öffnete ich die Terrassentür und schlug ihm mit meiner mächtigen Pranke genau zwischen seine Hörner.

Gehört hatte ich von dieser Möglichkeit bei Old Shatterhand. Ich hatte daraufhin weniger an der Kraft, als viel mehr an der Technik des Schlages gefeilt. Besonders die Metzgereien und Schlachter rund um Germersheim waren eine zeitlang sehr zuvorkommend und hatten mir ihre Tiere zur Verfügung gestellt, bevor deren letztes Stündlein schlug.

Wie von einer Reißleine gezogen, riss es den Leitbullen von den Beinen und er lag als Häufchen Elend vor meinen Füßen. Einen kurzen Augenblick spielte ich noch mit dem Gedanken meinen Spieß aus dem Auto zu holen, den ich speziell für solche Zwischenfälle immer mit dabei habe und ihn in der Grillecke zum Mittagessen vorzubereiten. Doch dann verwarf ich den Gedanken genau so schnell wie er entstanden war.

Die Provokation für die restlichen Tiere wäre doch zu groß gewesen und da ich etwas schlecht geschlafen hatte fühlte ich mich zumindest heute nicht in der Lage es mit den restlichen hundert Viechern aufzunehmen.

Völlig verdutzt standen die Wasserbüffelzuchtbullen vor mir und es bedurfte nur noch meines furchterregenden Urschreis und die Herde stürmte Richtung Wasser davon.

Ohne ihren Leitbullen fehlten ihnen allerdings die entscheidenden drei Gramm Gehirn um den Weg ins Freie zu finden, auf dem sie in den Garten gekommen waren.

Hirnlos, planlos, so kam die schwarze Masse wieder auf mich zu und die Terrasse zurück gerast.

Ich baute mich am Ende der Terrasse auf um jegliche Gefahr von mir und meiner Familie fernzuhalten.

Mit einem unbeschreiblichen Gedröhne stampfte die geballte Urgewalt an mir und dem Haus vorbei. Der vor mir liegende Leitbulle berappelte sich mittlerweile und torkelte seiner Herde hinterher.

Für die gab es jetzt kein Halten mehr. Auf der Hausvorderseite durchbrachen sie den Holzzaun und hinweg über Büsche, Blumen und die Straße ging es weiter Richtung Ortsmitte.

Ich konnte mir schon bildlich vorstellen, welches Vergnügen es Bürgermeister Hans Hansen bereiten würde, den noch bevorstehenden Schaden, den die Tiere im Ort anrichten würden, seinem Erzfeind Jörn Jörnsen zu präsentieren, den der natürlich mit einem müden Lächeln aus seiner Portokasse bezahlen konnte. Und so schlimm konnte es für ihn eh nicht kommen.

Schließlich holten sich mehr als die Hälfte des Gemeinderates wöchentlich die besten Lendenstücke bei ihm ab. Sie hatten dann immer ihren Geldbeutel Zuhause vergessen und wenn mal einer aus Versehen diesen doch dabei hatte, dann kam ihm Jörn entgegen mit seinem Spruch, den er schon von seinem Großvadder gelernt hatte.

„Kumm, loss sticke, is schunn erledigt.“

Schließlich war „Kuhhandel“ etwas, worauf sich die Jörnsen’s schon seit Generationen verstanden. Da konnte sich der schlaue und studierte Bürgermeister noch so anstrengen, wenn’s drauf ankam zog ein Jörnsen ein paar Strippen und schon war wieder alles im Butter, um in der Sprache der Landwirtschaft zu bleiben.

Der Rest des Tages dümpelte so vor sich hin. Was sollte auch noch groß passieren, nach den Geschehnissen des Morgens.

Ach so, eine Bar in Zingst, die auch gleichzeitig ein Steakhouse ist, haben wir noch am Abend besucht. Kon - Tiki, nach dem Floß von Thor Heyerdahl benannt. Gekommen sind wir wegen den Drinks, ein paar von uns haben dann noch etwas gegessen und es soll sehr gut geschmeckt haben. Die Bar war auch, angesichts der frühen Stunde recht gut besetzt.

Die Auswahl an Drinks war sehr groß und es ist hervorzuheben, dass die Gläser mit wenig Eis und einer Menge Drink gefüllt waren.

Unmengen Eis und kaum Drink, leider eine Unart, die ich immer wieder in Hotelbars feststellen musste. Je nach Mischung kostet so ein Getränk im Mittel zwischen vier und zehn Euro, und dann nur Berge gefrorenen Wassers im Glas zu haben ist doch eine Frechheit.

Bitte mal nicht falsch verstehen, ich bin kein Säufer, mit meinen vielleicht zehn bis dreißig Drinks im Jahr ganz sicher nicht. Doch gefrorenes Wasser und drei Tropfen Alkohol, dafür muss man ja nicht noch eine Menge Geld berappen.

Nun gut, hier ist jedenfalls alles bestens.

An unserem letzten Tag lassen wir es noch mal ganz ruhig angehen. Während die Kinder in Born im Kletterwald ihre Zeit vertreiben, fahren Heike und ich noch ein wenig mit dem Rad durch die schöne Landschaft, über die grausigen Betonwege.

Zum Mittagessen geht’s dann nochmals ins Hotelrestaurant Haferland, nachmittags zum Kuchenessen ins Cafe und am Abend auf die wirklich empfehlenswerte Terrasse vom Namenlos.

Schade, morgen fahren wir schon wieder nach Hause. Dann ist es vorbei mit dem lässigen Leben.

Ein Tipp für die Heimfahrt sei noch, gerade in Ferienzeiten, unbedingt frühzeitig loszufahren.

Es führt letztendlich nur ein Weg von der Halbinsel.

Und wir starteten natürlich erst 10.30 Uhr. Viel zu spät, sodass wir gleich mal eineinhalb Stunden im Stau verloren hatten. Pech.