Die Hugenotten auf Reisen


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- AIDA 2004

Vorwort

Wahrscheinlich sind wir ein Opfer der ständigen AIDA-Werbung im Fernsehen geworden. Irgendwann haben wir uns im Internet die Diskussionsforen dazu angeschaut und uns, aufgrund der Lobeshymnen zahlloser AIDA-Urlauber, zu einer einwöchigen Reise auf dem herrlichen Schiff entschlossen.
Da die Reisenden morgens die AIDA verlassen, das Personal danach die Kabinen reinigt und somit die neuen Gäste erst nachmittags wieder einziehen können, ist logischerweise der erste Urlaubstag nahezu verloren.
Nicht anders ist es am letzten Tag, da man morgens das Schiff verlässt.
Somit ist eine Woche AIDA eigentlich eine kleine Mogelpackung.
Wir haben es trotzdem nicht bereut. In fünf Tagen AIDA kann man mehr erleben, so man dies wünscht, als in so manchem anderen zweiwöchigen Urlaub.
Denn wer die Ausdauer besitzt kann am Tag Sport – oder
Kulturausflüge mitmachen und am Abend sich bei Theater – oder Showprogramm entspannen. Ist er dann immer noch nicht müde, so wird noch bis in den frühen Morgen Party in der Bar oder Disco geboten.
Für ältere Leute, wie mich und meine Frau, ist der letzte Programmpunkt nicht mehr so wichtig und daher auch regelmäßig ausgefallen.


Und los geht’s !

 

Es ist endlich soweit. Heute starten wir ab Stuttgart per Flug nach Antalya. Dort erwartet uns die AIDA Cara, ein zweihundert Meter langes Vergnügungsschiff, mit dem wir uns eine schöne Woche machen werden.
Am Flughafen müssen wir die üblichen Kontrollen über uns ergehen lassen. Das muss schon sein und gibt mir selbst auch ein Gefühl der Sicherheit.
Es ist mir ganz Recht wenn terroristische Elemente bereits bei der Kofferkontrolle eliminiert werden.
Dass sich jedoch unter meinen eigenen Familienmitgliedern ein solches befindet war mir bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt. Doch oft ist es so, dass in Momenten, in denen man keinesfalls damit rechnet, die Wahrheit in ihrer ganzen Härte ans Tageslicht kommt. Die terroristische Veranlagung von Lea wurde ganz offensichtlich.
Ohne jedes Misstrauen hatten wir sie Zuhause gebeten, doch ihr kleines Rucksäckchen mit ihren Spielsachen für unterwegs bitte selbst zu packen. In der Absicht während des Fluges eine Flugzeugentführung zu probieren, hat sie zwei gefährliche Bastelscheren eingepackt. Glücklicherweise gibt es ja gut ausgebildetes Sicherheitspersonal.
Man muss natürlich verstehen dass der Job eines Flughafenkontrolleurs zuweilen über Tage oder sogar Monate recht langweilig sein kann. Seine persönliche Befriedigung, kann ich mir vorstellen, erreicht er dann, wenn er von Zeit zu Zeit auch ein Erfolgserlebnis vorweisen kann. Da unterscheidet er sich kaum vom Rest der Menschen. Das höchste der Gefühle für ihn dürfte es wohl sein eine Bombe zu finden.
Damit kann man im Bekanntenkreis den maximal denkbaren Eindruck schinden.
Kaum minder gewaltig wirkt eine Pistole. Ein Messer wäre zu guter Letzt auch nicht schlecht.
Nun steht da aber schon seit Monaten und Jahren einer der sich mit keinem Fund profilieren kann. Wie sieht denn das bei seinem Vorgesetzten aus? Gerade so als würde er sich nicht richtig um seine Arbeit kümmern.
Wie gut für ihn, dass gerade jetzt die kleine Terroristin Lea versuchte ihre Waffen ins Flugzeug zu schmuggeln.
Zwei Bastelscheren hat sie eingepackt. Raffiniert ganz unten in ihrem Rucksack versteckt.
Mit den durchdringenden Strahlen seines Röntgengerätes wird sie jedoch von dem strengen Gesetzeshüter ertappt. Weder ihre traurigen Augen, noch meine Überzeugungsversuche können ein wenig Milde aus ihm herauskitzeln. Die Schneide ist stumpf, die Spitze rund und jemanden damit zu verletzen ist sehr schwer. Sicherlich schwieriger, als es mit dem Kugelschreiber möglich wäre, mit dem ich jetzt im Flugzeug sitze und diese Zeilen niederschreibe.
Oder war es gerade unser gemeinsames Auftreten, gut getarnt, zu fünft als harmlose Touristen, das ihn zu seiner rigorosen Härte bewogen hatte? Oder hat er mich, wie es mir schon öfter passierte, als Türken oder sogar als Araber eingeschätzt?
Nein, nichts von alledem war der Grund. Es waren die Tränen, diese scheinheiligen Tränen von Lea, die ihn mit voller Härte handeln ließen. Er hatte sie durchschaut und ohne Zögern die gefährlichen Waffen einkassiert.
Doch schließlich hat er noch sein großes Herz gezeigt und von einer Verhaftung abgesehen.
Welch ein Glück!


Der Flug verläuft nun auch völlig problemlos.
Logisch, was soll auch passieren wenn sogar Bastelscheren einkassiert werden, da kann man ganz beruhigt sein.


Whow, die AIDA

 


Um 19°° Uhr Ortszeit landen wir in Antalya und ca. neunzig Minuten später betreten wir die AIDA.
Damit bei späteren Ausflügen sichergestellt ist, dass auch wirklich bei der Weiterreise alle an Bord sind, wird für jeden sofort eine Identifikationskarte angefertigt.
Nach der Besichtigung unserer Kabinen laben wir uns an dem kaum zu übertreffenden Buffet im großen Karibikrestaurant.
Um 20°° Uhr begeben wir uns auf Deck zehn und elf. Dort wird durch eine Poolparty mit Showprogramm erste Partystimmung vermittelt. Gleichzeitig laufen wir aus dem Hafen aus.
Das Publikum, so scheint mir, hat mit den üblichen Reisenden auf Kreuzfahrtschiffen, meines Erachtens, wenig gemeinsam. Alle sind ganz leger gekleidet und das Alter der Leute reicht von Babymonaten bis zur achtzigjährigen Oma, bunt gemischt, wobei die Jüngeren leicht in der Überzahl sein dürften.
Gott sei Dank sind wir nicht auf einem schwimmenden Altersheim geendet.
Nun sind wir auf Fahrt zu unserem ersten Zielort: Port Said in Ägypten. Dazu bringen wir gleich die längste Einzeletappe hinter uns. Das dauert bei einer Reisegeschwindigkeit von etwa fünfzehn Knoten, was ca. 27 Stundenkilometern entspricht, rund dreißig Stunden.
Im Klartext bedeutet dies, dass wir einen kompletten Seetag vor uns haben, die beste Gelegenheit das Schiff kennen zu lernen.

Nach dem ausgiebigen Frühstück sehen wir uns das oberste Deck an. Von ganz oben hat man natürlich den besten Blick auf die Weiten des Meeres. Hier hat es auch eine Bar, die aber erst zu später Stunde öffnet.
Auf Deck zehn befindet sich dann der Pool und ein Volleyball - und Basketballfeld.
Den Pool, also wirklich Leute, den hätte man sich sparen können.


Angeblich beinhaltet er fünfundvierzigtausend Liter Wasser. Das hört sich vielleicht viel an, ist aber nichts. Würden alle Gäste gleichzeitig schwimmen gehen wollen, so stünden jedem gerade Mal vier und ein Halber Eimer Wasser zur Verfügung. Sicher kommt das nicht vor, doch bei nur zehn Prozent der Gäste wäre es auch nur eine Badewanne voll. Ich schätze die Vogeltränke auf etwa sieben mal vier Meter und rund um diese liegen auch die ganzen Hühner, meist weiblich und lassen sich wie die Hähnchen auf der Stange grillen.
Nur gelegentlich schlürft eines zu der Tränke um seinen gerösteten Körper zu kühlen.
Der Misch ist ein Nörgler, der findet immer etwas zu meckern. Ein Besatzungsmitglied versucht die lächerliche Badewanne zu rechtfertigen: „Der Pool darf aus statischen Gründen nicht größer sein. Die fünfundvierzigtausend Kilo wirken wie ein gewaltiges Pendel und wäre es noch schwerer, so könnte bei starkem Seegang sogar das gesamte Schiff umkippen.
Einverstanden, doch bevor ich mich mit so etwas blamiere, da wäre es geschickter gewesen nichts zu tun oder ein paar eisige Duschen anzubringen. Das hätte mehr genützt als diese warme Suppenbrühe.
Auf Deck zehn befindet sich auch das Theater. Die Abteilung Animation gibt hier allabendlich ihre Showeinlagen.
Heute ist dort Treffpunkt für die Kinder. Angeboten wird ein Betreuungsprogramm für die Kleinen und wenn man Glück und die passenden Kinder hat, so gibt man diese morgens hier ab und nimmt sie am Abend wieder in Empfang, unversehrt, todmüde und abgefüttert.
Eine herrliche Sache, leider nicht für uns. Bereits im Robinsonclub mieden Larissa und Michael diesen Service. – Blöd -.
Also, warum sollte uns Lea den Gefallen tun?
Man kann es ja einmal probieren und somit begeben wir uns um elf Uhr ins Theater.
Lea hört sich zwar alles an, begeistern lässt sie sich jedoch nicht und geht zum Schluss der Veranstaltung wieder mit uns von dannen.
Larissa, Michael und ich begeben uns in den Fitnessfelsen. Beide sind gute Sportler und ihre Trainer haben mir extra empfohlen, ein wenig darauf zu achten, dass während des Urlaubs Sport betrieben wird.
Der Raum ist sehr groß. In einem Teil werden ca. dreißig Personen, meist weiblich, von einem Vorturner zu aerobischen Übungen getrieben. In einem anderen Teil stehen Muskelmaschinen und auf der anderen Seite kann man sich im Whirlpool entspannen und den Trainierenden zuschauen.
Nachdem wir unsere Muskeln gestählt haben, lassen wir uns auf unserem Deck von der Sonne erwärmen.
Während wir nämlich unsere Kinder in eine Außenkabine gepfercht haben, leisteten sich Heike und ich eine Suite am Bug des Schiffes. Dort gibt es insgesamt vier Suiten deren Mieter sich gemeinsam ein, mit Liegestühlen und Tischen bestücktes Deck teilen. Ein schöner Platz, an dem man sich herrlich den Wind um die Nase wehen lassen kann und der sich gut eignet um den ersten Tag gemütlich ausklingen zu lassen.
In der Nacht, um vier Uhr morgens, erreichen wir Port Said.

Port Said

Da ich gerade wach bin schaue ich mir die Hafeneinfahrt an. Es mutet etwas seltsam an, von unserem schwimmenden Hochhaus direkt durch die Fenster der Hafengebäude zu blicken.


Los, ab in die Koje, denke ich mir. Für morgen haben wir, Larissa, Michael und ich, einen Ausflug zu den Pyramiden von Gizeh gebucht.
Es werden verschiedene Ausflugsvarianten angeboten um die Pyramiden zu erreichen. Wir haben uns für eine Busfahrt mit Minikreuzfahrt auf dem Nil entschieden.
Das hört sich gemütlicher an als mit dem Jeep zu fahren.
Der gesamte Ausflug soll dreizehn Stunden dauern.
Bei bis zu vierzig Grad im Schatten ist das verdammt lange.
Doch was fällt einem Menschen als erstes ein, sobald er das Wort Ägypten vernimmt? Der Nil, der längste Fluss Afrikas, Kairo, die größte Stadt Arabiens oder die endlose Wüste?
Nein, es sind die Pyramiden, die einem bei dem Wort Ägypten sofort vor dem geistigen Auge erscheinen. Nicht nur die gewaltige Größe, sondern sicherlich auch die bis heute zahlreichen Rätsel, die das Bauwerk umgeben, sind daran Schuld.
Klar dass fast alle die Pyramiden sehen wollen. Heike und Lea können auf diese Weise das ganze Schiff nahezu ihr Eigen nennen. Lediglich fünf Leutchen waren am Pool, genau die richtige Anzahl für diese Wasserpfütze.
Lea hat bei der Gelegenheit eine Spielkameradin gefunden, auch nicht schlecht, denn von diesem Zeitpunkt an wurde sie nur noch selten gesehen.
Sie ist jetzt den ganzen Tag auf dem Schiff unterwegs, marschiert zum Pool, wenn ihr danach ist oder treibt sich sonst wo auf der Aida umher.
Vor der Aida sind ca. zwanzig Busse versammelt.
Wir werden einer ägyptischen Reiseleiterin zugeteilt, mit einer unüberhörbaren Stimme.
Sowohl Kleidung als auch ihr Aussehen scheint mir doch recht stark westlich orientiert zu sein. Ihre deutsche Aussprache ist sehr gut, angesichts der Tatsache, dass sie noch niemals in Deutschland war, sogar außergewöhnlich gut.
Später erklärt sie uns, sie habe die deutsche Sprache in einer deutschen Schule erlernt. Alle Fächer wurden in Deutsch unterrichtet. Kein Wunder!
Sie erzählt: “In Ägypten herrscht allgemeine Schulpflicht, jedenfalls auf dem Papier, viele Eltern schicken aber ihre Kinder nicht zur Schule.
Wirklich interessieren tut dies auch niemanden. Derjenige der trotzdem in die Schule geht, wird kaum schlauer als diejenigen, die es sein lassen.
Die Ausrüstung mit Lernmitteln ist katastrophal und die Klassenstärke liegt bei mindestens sechzig Schülern, die von Disziplin noch nicht besonders viel gehört haben.
Wenigstens ein wenig lesen und schreiben und möglichst noch ein bisschen rechnen können, das ist das Hauptziel, das erreicht werden soll.“
Rehab hat uns auf der über dreistündigen Fahrt ständig unterrichtet: Über die Geschichte Ägyptens, deren Dynastien, über die Kultur, über die verschiedenen Religionen, über das Schulsystem, über die Hochzeit, über die Ehe, über, über, über......
Einer war dabei eingeschlafen, doch Rehab hat ihn sofort angesprochen: „Sind meine Ausführungen langweilig oder weshalb schlafen sie?“ Der Ertappte brabbelt etwas von zuviel Party heute Nacht und windet sich aus seiner Verfehlung. Was hätte sie wohl mit ihm angestellt, wenn er ihre Ausführungen als langweilig bezeichnet hätte.
Alles was sie erzählte war wirklich nicht langweilig, es war einfach nur zuviel und das meiste steht sowieso in den Geschichtsbüchern.
Eine Sache fand ich jedoch noch recht interessant. Es betraf ihre Ausführungen bezüglich der Ehe.
Sie hatte da ihre persönliche Meinung mit eingebracht, mit der sie allerdings, wie sie ausdrücklich betonte, nicht alleine stehe.
„Bis zu vier Frauen sind erlaubt“, erzählt sie. „Allerdings muss die Frau stets ihr Einverständnis dazu geben. Tut sie dies nicht und der Mann besteht trotzdem auf die Neue, so wird die Angelegenheit richtig teuer für ihn.“
„So ein moslemischer Mann ist sein ganzes Leben mit der sehr schweren Arbeit des Denkens, eventuell auch noch des Handelns, beschäftigt. Die leichtere körperliche Arbeit überlässt der Mann völlig uneigennützig der Frau.
Kommt er dann eines Tages mit dem Wunsch, sich eine neue Frau zuzulegen, so ist dies der Erstfrau meistens ganz Recht. Sie hat nämlich das Recht, die meiste Arbeit an die Neue abzudrücken und nach zwanzig Jahren Schufterei ist sie ganz froh einen Großteil an eine andere abschieben zu können.
Angeblich muss der Mann mit der Alten genau soviel Zeit wie mit der Jungen verbringen (Wer’s glaubt).
(Vielleicht liegt ja der Vorteil der Vielehe für sie auch darin, dass der alte Sack jetzt endlich die Finger von ihr lässt).
Ich frage mich warum die meisten Religionen zumeist zu Gunsten des starken Geschlechts ausfallen. Ob es wohl damit zusammen hängt, dass es stets Männer sind, die sich die Religionen erfinden?
Zurück zu unserer Busfahrt. Es fällt auf, dass unser Konvoi ständig von Polizei bzw. Militär begleitet ist.
Neben den Gebühren für die Benutzung des Suezkanals und der Erdöleinnahmen ist der Tourismus der wichtigste Devisenbringer. Einen Anschlag wie erst vor einigen Jahren vor den Pyramiden will man anscheinend keinesfalls riskieren.
Die Fahrt selbst geht zunächst durch Port Said, eine angeblich saubere, moderne Stadt. Für ägyptische Verhältnisse mag das stimmen, nach deutschem Maßstab war es schmutzig, viele Häuser verfallen.
Auf dem Weg nach Kairo fahren wir längere Zeit neben dem Suezkanal entlang. Da man den Kanal selbst nicht sieht, hat man stellenweise den Eindruck, als stünden die Ozeanriesen mitten auf dem Festland.
Erwähnenswert wäre noch eine Brücke neuneinhalb Kilometer lang und Asien mit Afrika verbindend.
So richtig abgefackt sieht für mich Kairo aus. Nun wird mir auch klar, weshalb Rehab Port Said als saubere Stadt bezeichnete. Alles ist eben relativ zu sehen.


Der größte Teil Kairos ist völlig zerfallen. Eine Ansammlung von Müll und Bauschutt. Warum räumt das keiner weg, zumindest vor der eigenen Tür könnte doch jeder sauber halten. Ich denke es ist so: Ein Großteil dieser Leute lebt einfach noch im Mittelalter und hat mit unserem Lebensstil nichts gemeinsam. Keiner kann mir erzählen, er fände keine Zeit für ein wenig Sauberkeit und Ordnung zu sorgen.
Wir erreichen die Alabastermoschee. Sie befindet sich auf einem Hügel inmitten einer Zitadelle und wie der Name schon verrät aus Alabastermarmor erbaut.


Sowohl der Vorraum als auch der zweiundfünfzig Meter hohe Innenraum sind sehr beeindruckend. Von hier oben hat man einen Blick über die gesamte Stadt, die mit ihren sechzehn Millionen Menschen eine der Größten auf unserer Erde ist.
Aufgrund der wahnsinnigen Hitze ist dies alles kein Vergnügen. Gott sei Dank fahren wir nun zum Nil um auf einem klimatisierten Schiff unser Mittagessen einzunehmen. Eine Folkloreband spult das übliche Touristenprogramm ab. Logisch, dass dabei auch eine Bauchtänzerin nicht fehlen darf. Wir drei amüsieren uns über einen der Musiker. Seine Gier auf die Tänzerin hat ihm seine Augen zwei Zentimeter aus deren Höhlen hervorquellen lassen und seinen Blick auf dem wackelnden Hinterteil der Schönen festgetackert.
Zum Abschluss wird noch, ich sage jetzt einfach einmal, ein Teppichtanz vorgeführt.

Ein Tänzer dreht eine Art Rundteppich, der eventuell auch ein Rock sein könnte, so schnell um seinen Körper, dass sich dieser bis zum Hals anhebt. – Originell –
Der Bauchtänzerinnenhinterteilbewunderer findet es anscheinend langweilig, denn seine Augen sind wieder in Normalstellung und sein Blick wirkt lustlos.
Mittlerweile sind alle satt und das Schiffchen legt wieder am Ufer an.
Ein paar Minuten Fahrt mit dem Bus und wir erreichen die Pyramiden, die mittlerweile direkt am Stadtrand liegen. Die beiden Größten von ihnen sind heute noch hundertachtunddreißig und hundertsiebenunddreißig Meter hoch.
Aus der Ferne sehen sie noch ganz putzig aus. Steht man aber direkt davor, neben tonnenschweren, mannshohen Quadern, so wird die Meisterleistung der Architekten und das vergossene Blut der Arbeitskräfte richtig spürbar. Schweiß Hunderttausender war nötig bis der letzte Stein auf der Spitze gelegen hat.


Napoleon ließ während seiner Besatzungszeit errechnen, dass man mit den Steinen der Pyramiden um ganz Frankreich eine fünfzig Zentimeter breite und drei Meter hohe Mauer hätte bauen können.
Unverkennbar ist leider auch hier wiederum der vergammelte Zustand.
Ehemals wurden, wie kann es auch anders sein, von unten nach oben die Pyramiden mit Sandstein erbaut und anschließend von oben nach unten mit weißem Kalkstein verkleidet. Von dieser Verkleidung ist leider nichts mehr zu sehen. Vorstellen kann man sich dies aber sehr wohl.
Zur Monumentalität käme noch eine Eleganz, die der Grabstätte eines Pharaos würdig wäre.
Man stelle sich vor die Pyramiden stünden in Berlin. Nein nicht im ehemaligen sozialistischen Teil. Da würden sie noch schlimmer aussehen als hier in Kairo.
Nein, im Westen, am Stadtrand, restauriert, womöglich mit kleinen Bähnchen, die durch die Schächte und Grabkammern sausen, , verkleidet mit schneeweißem Sandstein. Herrlich!
Naja, eine Werbeaufschrift von Hebel-Stein müssten wir uns wohl schon gefallen lassen.
Wäre das nicht super?
Stattdessen ist hier nichts organisiert. Herabgestürzte Steine liegen rund um die Pyramiden. Scharen von Kameltreibern kleben uns an den Fersen und wollen sich für ein paar Euro mit uns ablichten lassen.
Rehab hat uns gewarnt. Die Touristenmafia von Kairo soll sich hier tummeln.
Für mich sehen sie einfach nur wie ein Haufen armer Menschen aus, die sich irgendwie ein paar Euro zum Überleben verdienen wollen.
Zum Glück hat sich der Staat dem Problem angenommen und mindestens genau so viele Polizisten wie Kameltreiber abgestellt.
Doch was ist jetzt los? Plötzlich wollen uns die Polizisten gegen die Gebühr von einem Euro mit unseren eigenen Kameras fotografieren. Wer schützt uns jetzt vor den Polizisten?
Ein besonders lästiges Exemplar will unbedingt meine Kamera, um uns drei vor der Kulisse der Pyramiden zu filmen. Fast hätte ich eingewilligt, aber Michael warnte eindringlich davor und ich lasse es schließlich sein.
Zum Schluss steuert der Bus noch die Sphinx an.Ein letztes Mal müssen wir noch bei den Souvenirverkäufern Spalier laufen.
Ach so, da war doch noch etwas. Rehab hat uns in ein sogenanntes Papyrusinstitut geschleppt. Das hört sich schlau an. Einer hat dort maximal drei Minuten mit einem echten Papyrusblatt erläutert, wie man daraus Papier herstellt. Gleich danach ist eine Horde Verkäufer über uns hergefallen um uns Bilder auf echtem Papyrus zu verkaufen.
Ähm, wie war das mit der Touristenmafia, Rehab?

Auf der anschließenden Rückfahrt zum Schiff sind wir noch durch ein Stadtgebiet gefahren, das die enorme Diskrepanz zwischen reich und arm verdeutlichte.
Saubere Viertel mit feudalen Häusern, umgeben von hohen Mauern lagen kurzzeitig neben unserer Strecke.

In Kairo ist Rehab ausgestiegen und das schien für unseren Busfahrer der Startschuss zu einer Höllenfahrt mit seinem Riesengefährt zu sein.
Jedes Auto attackiert er. Den Daumen hat er nur noch an der Hupe. Mit vollem Tempo rast er auf andere Autos zu um gerade noch in letzter Sekunde zu stoppen.
Er entpuppt sich als absoluter Vollidiot!
Eine ältere Frau hat die Angelegenheit nicht schadlos überstanden. Sie musste sich ständig übergeben. Leider hatte sie Anstand und in letzter Minute die Toilette erreicht. Ich hätte ihm ins Genick gereihert, günstig gesessen hätte sie, und der Trottel hätte es sich ein für alle Mal gemerkt.
Gegen einundzwanzig Uhr sind wir wieder an Bord. Wir sind ziemlich geschafft. Sieht man von den kleineren  Unannehmlichkeiten ab, so hat sich die Sache auf jeden Fall gelohnt.
Man kommt eben nicht alle Tage zu den Pyramiden Ägyptens.
Es gibt richtig etwas zu erzählen, als wir eine Stunde später beim Abendessen sitzen und das Schiff aus dem Hafen läuft.
Während unserer Nachtruhe, die wir uns heute redlich verdient haben, fährt das Schiff in Richtung Zypern und um die Mittagszeit werden wir Limassol erreichen.

Limassol

Für dreizehn Uhr haben wir eine Katamaranfahrt gebucht. Keine Frage dass da alle fünf  mitmachen.

Der Trip soll fünf Stunden dauern. Ca. hundert Personen haben sich angemeldet. Da reicht ein Boot nicht. Alle verteilen sich auf zwei schnittige Flitzer.


Los geht die Fahrt. – Larissa und Michael haben sich an der vordersten Bootsspitze in ein großes Netz gelegt und lassen sich den frischen Wind um die Nasen pfeifen.
Der Kapitän erlaubt Lea einmal das Steuerrad zu übernehmen. Voller Stolz will sie dieses überhaupt nicht mehr loslassen.
Nach einer halben Stunde erreichen wir eine kleine Insel.
Wir ankern und der Kapitän verteilt eifrig Taucherbrillen und Schnorchel.
Von Jung bis Alt, jeder der schwimmen kann, springt in das erfrischende Meer. Lea dürfte die Jüngste sein und eine Oma, ich schätze sie auf fünfundsiebzig Jahre, die Älteste. Sie ist anscheinend mit ihren Enkeln an Bord.
Ganz Oma-like hat sie ihre Flugtickets in ihrer Handtasche mitgeschleppt und diese sind ihr nun, welch Katastrophe, völlig nass geworden. Unternehmungslustig ist sie offensichtlich, meinen vollen Respekt hat sie. Doch was hat sie sich unter einem Katamaran vorgestellt? Dass dieser fliegt? Es muss wohl so sein. Sonst hätte sie sicher die Tickets zu Hause gelassen.
Eine lustige Vorstellung: Ein fliegender Katamaran vor der Küste Zyperns mit einer wild gewordenen Omi an der Bugspitze.
Wir liegen hier etwa eine oder auch zwei Stunden. Danach wechseln wir die Position.
Beide Boote ankern nun nebeneinander. Wozu das gut sein soll? Business!
Unser Kapitän, der offenbar auch der Herrscher über den zweiten Katamaran ist, lässt ein kleines Schlauchboot ins Wasser, hängt eine Riesenbanane dahinter und fängt an, die Kleinen und Großen und vor allem die ganz Großen durch das Wasser zu ziehen. Elf Euro kostet der Spaß.
Michael will auch einmal. Meinetwegen.
Zwischenzeitlich ist eine richtig scharfe Brise aufgekommen. Sie weht genau Richtung Hafen.
Die beiden Skipper nutzen die Gelegenheit und ziehen die Segel auf. Der Mast dürfte etwa fünfzehn Meter hoch sein und das Boot nimmt flotte Fahrt auf.
Hey, hey, hey, das macht richtig Spaß. Jetzt müssten noch die Hauptsegel hoch damit sich das Boot schön auf die Seite legen kann.
Schade der Skipper lässt es nicht soweit kommen.
Sicher wollte er nicht die soeben getrockneten Tickets der Oma noch mal durchnässen.
Am Abend, es ist gegen zwanzig Uhr, gerade als wir unser Abendessen zu uns nehmen, laufen wir zu unserem nächsten Zielhafen aus.
Beirut, die Hauptstadt des Libanon wird es sein.

Beirut

Bereits am nächsten Morgen, um etwa sechs Uhr früh, erreichen wir diese. Von unserem Deck aus begrüßen wir die Stadt und wir sind nicht die Einzigen.
Auf Deck sechs, gleich unter uns, haben sich zahlreiche Frühaufsteher versammelt, um den schönen Anblick zu solch früher Stunde zu genießen.
Der Libanon wird auch die Schweiz des Nahen Ostens genannt. Parallelen finden sich wohl in der Tatsache, dass der Libanon ebenfalls ein kleines Land ist, dass es dort Berge bis zu dreitausend Metern Höhe gibt und alleine in Beirut über hundert Banken angesiedelt sind.
Letzteres dürfte wohl der Hauptgrund für den Vergleich sein. Hauptsächlich reiche Araber aus den Nachbarländern, bunkern hier ihre Geldreserven.
Wenn auch die Spuren des Krieges noch unverkennbar sind, so hat die Stadt dennoch einen großen Sprung gemacht.
Neben dem Minarett sieht man auch den Minirock und es scheint oft unklar, ob man sich in einem Cafe von Paris mit Croissant und Pastis, auf einem Campus einer amerikanischen Uni, mit Turnschuhstudenten, oder in einem liberalen Arabien befindet. Christen und Moslems leben heute einträchtig nebeneinander. Dass dies möglich ist, beweist Beirut. Schade nur, dass zuvor fünfundzwanzig Jahre lang Blut vergossen werden musste um zu dieser Erkenntnis zu kommen.
Nach dem Ende des Bürgerkrieges gilt nun das Land als sehr stabil, ein Grund für das Vertrauen des arabischen Kapitals.
Wir bereiten uns auf einen weiteren Ausflug vor. Um acht Uhr wollen wir nach Byblos, eine siebentausend Jahre alte Stadt, von deren Namen sich das Wort Bibel ableitet, fahren.
Byblos liegt rund vierzig Kilometer nördlich von Beirut.

Dieses Mal haben wir mit der Reiseführerin richtig Pech.
Ihr Deutsch ist saumäßig. Ihre halben Sätze sind ständig mit falsch ausgesprochenen Wörtern bespickt und zusätzlich noch grammatikalisch katastrophal. Das macht mich verrückt. Und nicht nur mich, wie ich bald anhand der Kommentare unser Begleiter bemerke.
Die Frau ist eigentlich nett, doch sie will ihre Sache besonders gut machen, macht es aber, in Anbetracht ihrer miserablen Sprache, besonders schlecht.
Bei den Besichtigungen hänge ich mich entweder an andere Gruppen an, oder versuche mich auf angebrachten Informationstafeln schlau zu machen.
Das , was mir in der Hauptsache an neuem Wissen geblieben ist, ist die Tatsache, dass Byblos während seines Bestehens, unzählige Mal erobert wurde. Als Ergebnis dessen hat sich hier ein Schmelztiegel zahlreicher Kulturen und Religionen gebildet.
Kein Wunder also, dass dies letztlich in einem blutigen, fünfundzwanzig Jahre andauernden, Bürgerkrieg endete.
Unser erster Besichtigungspunkt ist die Kreuzritterkirche.Es ist wieder grausam heiß. Erst eine leichte Brise bei dem anschließenden Spaziergang durch die kleine Altstadt verschafft ein wenig Linderung.
Für heute Nachmittag ist noch eine Besichtigung der Tropfsteinhöhlen von Jeita angesagt. Doch vorher wollen wir uns von der libanesischen Küche verführen lassen.
Auf dem Weg zum Restaurant, erklärt uns die Reiseleiterin den gesamten Speiseplan. Sämtliche Vorspeisen, Hauptspeisen und das Dessert hat sie bis ins Detail erläutert. Da mache ich doch lieber solange ein Mittagsschläfchen, doch ihre Wortfetzen verfolgen mich leider bis in meine Träume.
Das anschließende Essen ist denn auch wirklich köstlich und soll hier unbedingt erwähnt sein. Vielerlei Röllchen und Täschchen, gefüllt mit unterschiedlichem Käse, Gemüse und allerlei Fleischvariationen verführen unseren Gaumen, bevor der obligatorische, weltbekannte, libanesische Spieß folgt.
Ich bin jetzt viel zu müde um mich weiter zu bilden, doch das Programm ist gnadenlos.
Glücklicherweise verkriechen wir uns jetzt in die Erde. Unter der Sonne des Nahen Ostens lässt es sich momentan nicht mehr aushalten.
Per Boot erkunden wir auf einem unterirdischen See die Welt der Stalaktiten und Stalagmiten. Hinter engen Passagen, durch die gerade unser kleines Boot hindurch passt, öffnen sich immer wieder riesige Säle.
Sehr beeindruckend! Doch leider darf man keinerlei Film oder Photoaufnahmen machen. Sehr kleinlich.
Auf der Rückfahrt werden wir natürlich, wie kann es denn anders sein, noch im Zollhafen vor einem Duty-free Shop abgesetzt.
Ich frage mich, ob wir denn auf einer Kaffeefahrt sind, obwohl, für Raucher hat sich die Sache richtig gelohnt. Eine Stange Zigaretten kostet hier drei Euro, soviel ich weiss, ist dies billiger als bei uns der Preis einer einzigen Schachtel.. Über den Tisch gezogen wird man nicht. Also, doch keine Kaffeefahrt.
Den Ausflug selbst würde ich in dieser Länge nicht mehr mitmachen, jedenfalls nicht bei solchen Temperaturen und einer dermaßen schlechten Führung.
Michael und Lea hatten es da schon besser. Die sind an Bord geblieben und hätten den ganzen Tag Tischtennis, Volleyball oder sonstige Animationen mitmachen können. Hätten, denn wie ich erfahren habe, klotzten sie die meiste Zeit in die Röhre.
Am Abend findet wieder einmal eine Poolparty statt.
Nach einem kurzen Showprogramm, die Jungs und Mädels singen live und dies verdammt gut, wird die Tanzfläche für die Masse freigegeben. Ein DJ legt Platten aus den Siebzigern und Achtzigern auf. Das gefällt mir persönlich nicht so. Es war eine schöne Zeit, die Teenagerzeit von Heike und mir, doch das ist vorbei.
Alles Nostalgie, ich höre lieber moderne Hits, die sich momentan in den oberen Positionen der Charts bewegen.
Nach ein paar Tanzschritten und ein paar alkoholfreien Cocktails beenden wir den Tag

Mittlerweile ist die Aida mit Ziel Marmaris in der Türkei, ausgelaufen. Die Strecke ist weit, sodass wir morgen einen Seetag haben.
Das passt ganz gut. Jeden Tag Ausflüge, das ist doch recht anstrengend. Erst müssen wir uns einmal von Marie in Beirut erholen.
Über den Seetag gibt es nicht all zuviel zu berichten. Larissa und ich haben volle Pulle im Fitnessraum trainiert.
Später hat uns dann noch eine Delfinsippe begleitet. Binnen Sekunden waren alle Mieter der Suiten auf dem Sonnendeck. Entdecker der Delfine war die Nachbarin .


Es ist eine ältere Dame, die oft stundenlang an der Reling steht und auf das offene Meer starrt. Uns kommt sie ziemlich komisch vor. Mehr als ein guten Morgen oder guten Tag kommt nicht über ihre Lippen. Ob sie krank ist?
Doch plötzlich ruft sie laut: „Delfine, Delfine,“ als hätte sie die ganze Zeit nur auf diesen Moment gewartet.
Als scheint es den Kerlen Spaß zu machen, jagen diese neben unserem Schiff her und vollführen herrliche Sprünge. Offenbar gefällt den Tümmlern die Begegnung genau so sehr wie uns Menschen. Jeder der ca. vierzig Prachtexemplare will offenbar höher springen als sein Artgenosse. Alle an Deck sind fasziniert. Leider sind die Delfine genau so schnell wieder untergetaucht wie sie auftauchten.
Ein Nebeneffekt des Schauspiels ist die Tatsache, dass ich einmal alle Mieter der vier Suiten zu Gesicht bekommen habe. Schon äußerlich ist unverkennbar, dass hier lauter grundverschiedene Menschen zusammen sind.
Die Frau, die wegen der Delfine Alarm geschlagen hat, ist bestimmt sechzig Jahre alt, ebenso deren Mann. Sie haben ein Kind von ca. dreizehn Jahren.
Ich weiß schon, das geht normalerweise nicht, aber ich habe mehrmals gehört, dass der Junge die beiden mit Mama und Papa und nicht mit Oma und Opa angesprochen hat.
Gleich rechts neben uns wohnt ein Ehepaar mit drei Kindern, Alter der beiden etwa dreißig bis fünfunddreißig Jahre. Mit dem Mann hatte ich mich gelegentlich schon nett unterhalten, doch seine Frau ist extrem eingebildet.
Worauf? Wir können es uns nicht erklären. Außerdem sind beide Kettenraucher. Er trägt ständig zwei Schachteln Gaulloise bei sich. Das arme dreimonatige Baby!
In der Kabine ganz außen rechts wohnt ein richtiger Playboy. Seine Freunde und Freundinnen hätten sofort als Model arbeiten können. Äußerlich gab es an denen nichts auszusetzen.
Am frühen Morgen des sechsundzwanzigsten August sind wir dann in Marmaris eingelaufen. Dieses Mal habe ich nichts davon mitbekommen. Um so überwältigender ist der Eindruck als ich auf das Deck gehe.
Gestreichelt von den warmen Strahlen der Morgensonne liegt die Aida in einem einzigartigen Naturhafen, direkt neben hunderter kleiner Segel- und Motoryachten.
Eine fast kreisrunde Bucht schützt heutzutage die Schiffe vor Wind und rauem Wetter. Vor Jahrhunderten war es der Neid der umliegenden Völker. Die strategisch exponierte Lage zwischen Ägäischem Meer und Mittelmeer verschaffte der Bucht immer wieder ungewollte Aufmerksamkeit. Ein ums andere Mal wurde Marmaris im Laufe seiner Geschichte erobert und von Ägyptern, Asuren,  Ioniern und Doriern beherrscht.
Doch keine Schlacht konnte die Stadt so sehr beschädigen wie das Erdbeben von 1957, das Marmaris dem Erdboden gleich machte.
Bis zum Jahr 1970 ist Marmaris in die Bedeutungslosigkeit gefallen, als plötzlich die Schönen und Reichen das Fischerdorf wieder entdeckten. Rasend schnell entwickelte sich der Ort zu einem modernen und populären Urlaubszentrum mit dem größten Yachthafen des Landes. Klar dass sich hier die gesamte türkische Sommerszene tummelt.

Für den heutigen Ausflug hoffe ich auf einen guten Reiseleiter. Das Programm ist vielversprechend doch ein schlechter Führer kann die Stimmung schnell versauen.
Zwei Busse stehen wieder bereit. Wir wählen den Größeren der Beiden und haben mit Attila als Begleiter einen Volltreffer gelandet. Die Marie aus Beirut sollte einmal ein paar Lehrstunden bei ihm nehmen.

Attila ist von normaler Statur, hat dunkelbraunes Haar, braune Augen und einen Schnauzer, eben ein Türke.
Außergewöhnlich an ihm ist nur sein Alter.
Er ist nämlich bereits sage und schreibe einhundertzwanzig Jahre alt. Ansehen tut man ihm dies allerdings nicht. Eher auf fünfunddreißig bis vierzig Jahre würde ich ihn schätzen.
Er erklärt uns, sein junges Aussehen sei eine Folge der zahlreichen Reisegruppen, die er bereits nach Dalyan, unserem ersten Ausflugsziel, begleitet hat.


Dort erwarten uns schwefelhaltige Schlammquellen. Ein Bad darin verjünge die Menschen und er habe schon so viele Bäder genommen, dass er nun bei einem ihm angenehmen Alter von fünfunddreißig Jahren angekommen sei. Dieses Alter gefalle ihm nun ganz gut, weshalb er auch nicht mit uns in den Schlamm steigen wolle.
Genau wie Rehab für ihr Ägypten und Marie für ihren Libanon schwärmten, genauso liebt Attila seine Türkei,
die über tausend heißen Thermalquellen, die Menschen auf dem Land, die teilweise noch unberührte Natur, die dennoch rasante industrielle Entwicklung.
Aber er mochte auch die Deutschen. Zu seinem größten Bedauern kommen seit Jahren immer weniger Deutsche in die Türkei um hier ihren Urlaub zu verbringen.
Einerseits die Anschläge des Terroristen Özalan, andererseits der wirtschaftliche Niedergang Deutschlands führten dazu dass mittlerweile Holländer, Engländer und Russen die Hotelbetten belegen in denen noch vor zehn Jahren die Deutschen schliefen.
Ihm selbst gefalle Marmaris nicht mehr. Zu viele Aparthotels und unzählige Supermärkte und Restaurants, in denen es leider keine türkische Küche gebe, haben sich in der Stadt ausgebreitet. Deshalb sei er froh, dass er uns nicht Marmaris zeigen müsse, sondern uns die Umgebung des fünfundsiebzig Minuten entfernten Dalyan zeigen dürfe.
Angekommen in Dalyan, werden wir mit zwei großen Holzbooten zu einer kleinen Insel mit ihren Quellen übergesetzt.
Wir sind sehr früh und deshalb haben wir auch die Schlammlöcher für uns alleine.
Fast alle machen den Spaß mit und wälzen sich in der grauen, warmen Brühe. Es ist lustig, denn so sehr man sich auch anstrengt, man taucht nicht unter sondern treibt stets an der Oberfläche.


Ich warte nur noch darauf, dass einige anfangen zu Grunzen.
Genau nach dem Vorbild der Schweine soll man sich den Schlamm auf der Haut trocknen lassen. Mit einem starken Wasserstrahl versuchen wir später das Zeug wieder von der Haut zu spülen. Dies gelingt nur bedingt.
Noch beim abendlichen Duschen mussten wir uns gegenseitig die letzten Reste an bestimmten Stellen entfernen, wonach wir uns auch gleich ganz besonders jung gefühlt haben.
Nach etwa neunzig Minuten besteigen wir wieder unsere Boote und fahren durch eine der schönsten Landschaften der türkischen Ägäis.


Ein riesiges Schilfdelta mit über hundertfünfzig Vogelarten bilden ein einzigartiges Naturparadies.


Vorbei an zweitausendfünfhundert Jahre alten Felsengräbern, in denen die Lykier ihre Toten begruben, schleicht das Boot zwischen meterhohem Schilf zu einem fünf Kilometer langen Sandstrand. Dieser Strand ist im Sommer Schlüpfplatz für die Meeresschildkröte Caretta-Caretta.


Eine Gruppe von Naturschützern hat hier vor Jahren den Bau von Hotelkästen verhindert und so diese schöne Natur erhalten.
Wechselweise kühlen wir uns mal im Wasser ab, um uns danach wieder in der Hitze zu grillen. Länger als eine Stunde kann man das nicht ertragen. Die Mägen knurren mittlerweile und der ganze Tross zieht mit den Booten weiter zum Mittagstisch. Man verwöhnt uns mit türkischen Spezialitäten.
Eine kleine Verkaufsveranstaltung darf letztlich wiederum nicht fehlen. In einer Teppichkooperative werden wir in die Geheimnisse des Knüpfens eingeführt.


Die Sache ist für mich nicht uninteressant, denn zwischen unseren Altkleidern sind nicht selten alte Teppiche zu finden und bisher wusste ich teure Stücke nicht von billigem Ramsch zu unterscheiden. Da habe ich ein wenig dazu gelernt.
Niemand ist hier aufdringlich. Einige Leute entschließen sich, vielleicht gerade deshalb, zum Kauf und hätte ich Verwendung für einen Teppich, so hätte ich bestimmt auch ein Stück erstanden. Zumal die Lieferung frei Haus erfolgt.
Die Teppiche sind alle handgeknüpfte Einzelstücke in denen Arbeitszeiten zwischen vier Monaten für einen Wollteppich und achtzehn Monaten für einen Seidenteppich stecken.
Wir sind jetzt ziemlich kaputt und während Attila uns noch mit ein paar flotten Sprüchen versorgt, fahren wir zur Aida zurück.
Dort wird zum Abschluss, ja so schnell war die Reise zu Ende, noch ein besonders exquisites Menue, mit Hummer und all so einem Zeug, serviert.


Logisch dass es auch noch eine Abschiedsparty gibt, doch ohne uns.
Tja, zu schnell waren die Tage vorbei. Ein paar mehr hätten es schon sein dürfen, doch am Montag beginnt wieder die Schule für die Kinder.

Schiff adieu!